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Tunnelgesichter


Einleitung

Die Portale sind die einzig sichtbaren Bauteile eines Tunnels. Sie geben der Röhre ein "Gesicht", sie machen das Bauwerk unverwechselbar. Denn obwohl es auch in der Gestaltung der Tunnelröhren für den Fachmann erhebliche Unterschiede gibt, für den Laien sind sie vor allem ersteinmal nur eines: dunkel. Und nur der Länge nach zu unterscheiden. So prägt das Portal, obwohl doch eigentlich nur ein kleiner Teil des ganzen Bauwerks, unser Bild von einem Tunnel.
Der Bahnreisende nimmt die Portale der durchfahrenen Tunnels aus seiner begrenzten Perspektive zwar nur schemenhaft wahr, aber dennoch sind sie für ihn markante Punkte: Die Grenze zwischen Kunstlicht und Tageslicht, zwischen Fensterausblick und Spiegelbildbetrachtung, zwischen Landschaftsgrün und Tunnelmauerschwarz.
Für den sich entlang einer Eisenbahnstrecke bewegenden Menschen sind die Portale und ihre Umgebung, also Stützmauern, Einschnitte und der Bahnkörper, Teil der Landschaft. Verkehrswege können eine Landschaft prägen, sie dominieren, sich ihr unterordnen, sie zerschneiden. Bei Tunnelportalen hingegen sind die Auswirkungen meist anders. Sie verstecken sich, bilden einen Abschluss, lassen etwas verschwinden. Tunnelportale sind nicht landschaftsprägend, aber doch Teil ihrer Umgebung.

Damit deuten sich auch schon die Gründe für die Faszination dieser Bauwerke an. Sie mögen zwar nicht so elegant wie Brücken sein, aber:


Begriff, Synonyme

"Tunnelportal" ist das gebräuchlichste Wort für diese Art von Bauwerk, aber es gibt noch andere Begriffe:

Über Assoziationen gelangt man noch zu  Begriffen wie:


Das Portal als Bauwerk

1) Funktion und grundsätzliche Überlegungen
2) Konstruktive Aspekte
3) Gestalterische Aspekte A) Material B) Epochen C) Baustil D) Zierelemente

1) Funktion und grundsätzliche Überlegungen

Die wichtigste Funktion eines Tunnelportals ist die Abstützung des umgebenden Geländes und die Sicherung der Tunneleinfahrt vor Erddruck, Felsstürzen, Wasser und, im Hochgebirge, auch vor Schneelawinen. Tunnelportale sind daher in erster Linie reine Zweckbauten, die vom Ingenieur nach den Regeln der Technik und unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten möglichst zweckmäßig konstruiert werden. Die Optik und die landschaftsverträgliche Eingliederung des Bauwerks in die Umgebung spielt zwar auch eine Rolle, aber sie steht doch - auch heute noch - ziemlich an letzter Stelle. Um so mehr erstaunt die Vielfalt und Verschiedenartigkeit dieser Bauwerke; letztlich hat doch jeder Tunnel sein individuelles "Gesicht".

Das Aussehen eines Tunnelportals wird von vielen Faktoren beeinflusst:


2) Konstruktive Aspekte

Grundsätzlich kann man Tunnelportale grob in folgende Konstruktionstypen einteilen:

a) senkrechte Portale mit Stützmauern   Südostportal des Sterbfritz-Tunnels (Foto: Dieter Walk)   Südportal des Hart-Tunnels (Foto: VSO)
  Sterbfritz-Tunnel, Südportal, 1872
(Foto: November 2005, Dieter Walk)
 
  Hart-Tunnel, Südportal, 1910
(Foto: Juni 2004, VSO)
 
b) geneigte Portale, in eine Böschung integriert   Nordportal des Göggelsbuch-Tunnels   Südportal des Endelskamp-Tunnels (Foto: R. Bachmann)
  Göggelsbuch-Tunnel, Nordportal, 2006
(Foto: Juni 2006)
 
  Endelskamp-Tunnel, Südportal, 1991
(Foto: Mai 2002, R. Bachmann)
 
c) rechteckige Portale, oft Mischformen aus den Typen a, b und d   Südportal des Bovender Tunnels (Foto: Michael Kettler)   Südliches Westportal des Flughafen-Tunnels
  Tunnel Bovenden, Südportal, 1990
(Foto: März 2006, Michael Kettler)
 
  Flughafen-Tunnel Köln/Bonn, westliches Südportal, 2004
(Foto: November 2006)
 
d) Trogbauwerke mit geschlossenem Boden, sogenannte "Grundwasserwannen"   Westportal des Lohberg-Tunnels (Foto: R. Bachmann)   Südportal des Ulzburger Tunnels (Foto: Volker Borchert)
  Lohberg-Tunnel, Westportal, 1989
(Foto: Oktober 2002, R. Bachmann)
 
  Ulzburger Tunnel, Südportal, 2000
(Foto: Februar 2007, Volker Borchert)
 
e) naturbelassene (Fels-)Portale   Bergseitiges Portal des Tunnels 6 (Foto:Karlheinz Dörner)   Nordportal des Rothenfels-Tunnels (Foto: Willfried Pätzke)
  Wendelsteinbahn, Tunnel 6, bergseitiges Portal, 1912
(Foto: Dezember 2006, Karlheinz Dörner)
 
  Rothenfels-Tunnel, Nordportal, 1877
(Foto: Januar 2006, Willfried Pätzke)
 

Das "klassische" Tunnelportal (Typ a), ist von der Konstruktion her ideal für Mauerwerk, kann aus den verschiedensten Materialien - Stahlbeton genauso wie Bruchstein - gebaut werden und erfordert außer dem Aushub des Tunneleinschnitts und der Hinterfüllung der Stützmauern keine großen Erdbewegungen.
Deshalb war es früher in den meisten Fällen die einzig mögliche Bauform.
So ein Portal besteht konstruktiv aus den Fundamenten, der eigentlichen Portalmauer mit der Tunnelöffnung und den beiden seitlichen Flügelmauern, welche die Verbindung zwischen Einschnitt und Portal bilden.

Die heutzutage oft gebauten geneigten Portale (Typ b) hingegen können wegen der fließenden Formen nur in Stahlbeton ausgeführt werden, außerdem erfordert die Hinterfüllung des Bauwerks und die Einbindung in die Böschungsfläche erhebliche Erdbewegungen. Der große Vorteil dieser Konstruktion besteht aber darin, dass das Portal in gleicher Weise wie die anschließende Tunnelröhre mit einem "Schalwagen", einer verschieblichen Schalung, betoniert werden kann, und lediglich für den "Portalkragen" zusätzliche Schalelemente anzubringen sind. Dadurch, dass die Stützmauern quasi in das Portal integriert sind, entstehen zudem nicht nur wenig Kosten für die Unterhaltung (bewachsene Böschungsflächen brauchen weniger Pflege als eine Stützmauer), es wird nebenbei auch noch die sichtbare Oberfläche des Bauwerks reduziert. In gut eingewachsenem Zustand ist der gesamte Tunneleingang deutlich unauffälliger als ein senkrechtes Portal.
Bei Hochgeschwindigkeitsstrecken mit entscheidend sind die aerodynamischen Vorteile dieser Bauform, der Druckwechsel zwischen Tunnel und freier Strecke, bei sehr schnellen Zügen und kleinen Tunnelquerschnitten ein erhebliches Problem, erfolgt etwas weniger abrupt.

Da rechteckige Tunnel von Natur aus senkrechte Seitenwände und eine gerade Decke besitzen, für den Wechsel von (runder) Röhre zu (geraden) Stützmauern also keine Formänderung erforderlich wird, kann hier auf die "Portalmauer mit Tunnelöffnung" verzichtet werden. Diese Art von Tunnelportal kann also nochmals kleiner und einfacher gestaltet werden als Portale von Gewölbetunneln.

Die Trogbauwerke (Typ d) gehören genaugenommen nicht zum Tunnelportal, sondern zum Voreinschnitt. Kennzeichnend ist die wasserdichte Verbindung zwischen Portal, Stützwänden, Tunnelsohle und Sohle des Trogbauwerks. Im Prinzip handelt es sich also um eine Tunnelröhre, bei der lediglich die Decke fehlt. Diese wannenartige Konstruktion findet sich immer dort, wo der Tunnel schon vor dem Portal unterhalb des Grundwasserspiegels liegt. Früher mussten solche Probleme mittels Entwässerungsgräben und dauerhafter Grundwasserabsenkung gelöst werden, heute kann dank neuer Abdichtungstechniken und des Betonbaus in der Regel auf solche (umweltschädigenden) Maßnahmen verzichtet werden.
Wenn es der Schallschutz erfordert oder kein Platz für geneigte Böschungen ist, finden sich übrigens auch Trogbauwerke ohne Tunnel. Sofern sie nicht wasserdicht sein müssen, kann auf den Boden verzichtet werden, dann besteht der Trog im Prinzip nur aus zwei parallelen Stützwänden üblicher Bauart. 

Tunnelportale ganz ohne Beton und Mauerwerk, nur aus "nacktem" Fels bestehend, sind sehr selten, da die oberflächennahen Gesteine meistens nicht standfest genug sind, um auf weitere Sicherungen verzichten zu können. Heutzutage werden solche - eigentlich nur noch bei Bau-Provisorien anzutreffenden - Portale meistens zusätzlich mit Spritzbeton und Felsankern gesichert.

Neben dem eigentlichen Portalbauwerk sollen noch kurz die (eisenbahn-)technischen Einrichtungen erwähnt werden, welche sich an oder nahe der Portale finden. Zum Beispiel:

Alle diese Details gehören auch irgendwie dazu, manchmal verunstalten sie das Portal, manchmal sorgen sie für Atmosphäre.

Zu nennen wären auch noch die bei den ersten Eisenbahntunneln hin und wieder eingebauten Tunneltore, mit denen man den Tunnel absperren konnte. Außer in besonderen Fällen sind diese Tore aber schnell wieder verschwunden, da es im normalen Eisenbahnbetrieb keinen Bedarf dafür gibt.
Mögliche Gründe für solche Verschlusseinrichtungen in heutiger Zeit sind zum Beispiel: Kontrolle der Belüftung, Schutz gegen Schnee, Klimatisierung bei Bauarbeiten, Sicherung gegen unbefugtes Betreten (insbesondere bei stillgelegten Tunneln), militärische Zwecke ...

 

C) Gestalterische Aspekte

Nach so viel Theorie einige Bildbeispiele für unterschiedlich gestaltete Tunnelportale.
Zunächst soll gezeigt werden, wie die Form des "Lochs", also der Tunnelquerschnitt, das Aussehen des Portals beeinflusst:

Westportal des Sulzauer Tunnels (Foto: VSO)  
Typisches Gewölbeprofil, zusammengesetzt aus verschiedenen Kreisbogensegmenten
(Sulzauer Tunnel, Westportal, 1866)
(Foto: Oktober 2005, VSO)
 

Standard auch bei Neubauten
(Witzelshöhe-Tunnel, Nordportal, 1991)
Nordportal des Witzelshöhe-Tunnels (Foto: R. Bachmann)
(Foto: R. Bachmann)
 
Ostportal des Rote Bügel-Tunnels (Foto: VSO)
Eingleisiges Hufeisenprofil
(Rote-Bügel-Tunnel, Ostportal, 1893)
(Foto: Mai 2003, VSO)
 

Kreisbogenabschnitt auf senkrecht auslaufenden Ulmen 
(Möhringer Tunnel, Südportal, 1868)
Portal des Möhringer Tunnels von Singen (Foto: VSO)
(Foto: November 2002, VSO)
 
Ostportal des Wolfacher Tunnels (Foto: VSO)
Die eingleisige Variante
(Wolfacher Tunnel, Ostportal, 1886)
(Foto: August 2004, VSO)
 

Eingleisiger, "spitzer" Bogen am Neuen Fehrbacher Tunnel
(Nordportal, 1900)
Nordportal des Neuen Fehrbacher Tunnels (Foto: VSO)
(Foto: September 2004, VSO)
 
Ostportal des Gefallener Fels-Tunnels (Foto: Franz Cronenbrock)
Zweigleisiger Spitzbogen am Gefallener Fels-Tunnel
(Ostportal, 1859)
(Foto: September 2006, Franz Cronenbrock)
 

Sehr selten: ein Kreisprofil
(Neuer Bildstock-Tunnel, Südportal, 1955)
Südportal des neuen Bildstock-Tunnels (Quelle: Archiv der Stadt Friedrichsthal/Saar)
(Foto: 1955, Archiv der Stadt Friedrichsthal/Saar)
 
Ostportal des Hammersteiner Tunnels (Foto: Franz Cronenbrock)
Ein Korbbogenquerschnitt
(Hammerstein-Tunnel, Ostportal, 1860)
(Foto: September 2006, Franz Cronenbrock)
 

Kreisbogenabschnitt oben und senkrechte Ulmen, die unten in leichtem Bogen auslaufen - die beiden Kirchheimer Tunnel haben ein sehr eigenwilliges Profil
(Nordportal, 1848)
Nordportal des rechtsseitigen Kirchheimer Tunnels (Foto: VSO)
(Foto: April 2002, VSO)
 
Portal des Rebberg-Tunnels von Singen (Foto: Joachim Pientok)
Flacher Segmentbogen auf senkrechten Wänden
(Rebberg-Tunnel, Südportal, 1873)
(Foto: September 2003, Joachim Pientok)
 

Rechteckquerschnitt eingleisig, Kreuzungsbauwerk Vaihingen/Enz Nord, auch: "Tunnel Illingen"
(Westportal, 1990)
Westportal des Illinger Tunnels (Foto: VSO)
(Foto: April 2007, VSO)
 
Nordportal des Tunnels Bochum Oberstraße
Rechteck-Querschnitt zweigleisig, Tunnel Oberstraße
(Nordportal, 1988)
(Foto: September 2006)
 

Schon gut zu erkennen ist auch die unterschiedliche Wirkung der verschiedenen Baustoffe.
Das Baumaterial für das Portal wird in aller Regel nicht aus gestalterischen Überlegungen, sondern nach baupraktischen Gesichtspunkten ausgewählt, hier tritt wieder der Zweckbau zu Tage.
Dass die Portale des 19. Jahrhunderts auf den heutigen Betrachter dennoch fast alle landschaftsgerecht gestaltet wirken, dürfte vor allem an der verbreiteten Verwendung von Naturstein aus der näheren Umgebung des Tunnels liegen. Dieser sieht nicht nur ganz von selbst "natürlich" aus, sondern bietet auch in verwittertem Zustand einen "schöneren" Anblick als alter Beton. Dennoch ist Beton in der heutigen Zeit der ideale Baustoff für Tunnel und Tunnelportale, es gibt hier schlichtweg keine brauchbare Alternative. Die optischen Nachteile lassen sich durch die Reduzierung der sichtbaren Oberflächen zugunsten bewachsener Böschungen oder, in besonderen Fällen, Verkleidungen mit Naturstein einigermaßen kompensieren, die Gliederung der Betonoberflächen mittels Fugen oder Versätzen bietet weitere Gestaltungsmöglichkeiten.


A) Material

Im folgenden noch einige prägnante Beispiele, wie durch das Material die Ansicht geprägt wird:

Westportal des Ravenna-Tunnels (Foto: VSO)
Quaderförmig behauene Natursteine - einst das "Standardbaumaterial" für Eisenbahntunnel, hier das 1927 umgebaute Westportal des Ravenna-Tunnels
(Foto: Juni 2004, VSO)
 

Ravenna-Tunnel, andere Seite (Ostportal von 1887), mit Rundsteinmauerwerk
Ostportal des Ravenna-Tunnels (Foto: VSO)
(Foto: Juni 2004, VSO)
 
Südportal des Guxhagener Tunnels (Foto: Klaus Erbeck)
Ziegelmauerwerk, hier in Kombination mit hellem Naturstein als Verzierung, ein gutes Beispiel für die gestaltende Kombination verschiedener Baustoffe. 
(Guxhagener Tunnel, Südportal, 1848)
(Foto: Mai 2005, Klaus Erbeck)
 

Verputztes Mauerwerk ist wegen des Aufwands und schlechter Haltbarkeit bei Tunnelportalen extrem selten angewendet worden, aber der Hönebacher Tunnel, hier das Ostportal, war ja auch das bedeutendste Bauwerk der "Friedrich-Wilhelm-Nordbahn", fertiggestellt 1849
Ostportal des Hönebacher Tunnels (Foto: Klaus Erbeck)
(Foto: Oktober 2005, Klaus Erbeck)
 
Nordportal des Erbscheid-Tunnels (Foto: Ulrich Krämer)
Beton - das heutige Standardbaumaterial, als Beispiel dient die Unterführung unter einer Straße unmittelbar nördlich vor dem Erbscheid-Tunnel (im Hintergrund), beides von 1964. Gut zu erkennen die Gliederung der Oberfläche mittels Fugen
(Foto: 2003, Ulrich Krämer)
 

B) Gestaltungsepochen

Die Gestaltung der Tunnelportale hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt; woran man nicht nur die wechselnde Bedeutung des Verkehrsträgers Eisenbahn erkennen kann, sondern auch die unterschiedlichen Vorstellungen von der Gestaltung solcher Zweckbauten, wie Tunnelportale es sind.

Bezogen auf Deutschland können vier Gestaltungsepochen abgegrenzt werden. Die Übergängen zwischen diesen Epochen sind sehr fließend, weshalb die angegebenen Jahreszahlen nur zur ganz groben Orientierung dienen können.

1. Die Frühzeit der Eisenbahn von etwa 1840 bis in die 1860er Jahre hinein mit repräsentativen, landschaftsprägenden und individuellen Tunnelportalen, die nicht nur für die jeweilige Eisenbahngesellschaft und das neue Verkehrssystem werben sollten, sondern auch noch den "Mythos Tunnel" betonen, im Gegensatz zu Brücken eine bis dato noch vollkommen unbekannte Art von Verkehrsbauwerken. Westportal des Hönebacher Tunnels (Foto: Klaus Erbeck)
Hönebacher Tunnel, Westportal, 1849
(Foto: Oktober 2005, Klaus Erbeck)
 
2. Die "große Zeit" des Streckenbaus (von etwa 1870 bis ungefähr 1900/1910), die Tunnelportale werden zwar zunehmend ähnlicher und immer schlichter gestaltet, dennoch sind Tunnel immer noch repräsentative Bauwerke, die, dem damaligen Geschmack entsprechend, mit "romantischen" Zierelementen versehen werden. Südportal des Marienthaler Tunnels (Foto: VSO)
Marienthaler Tunnel, Südportal, 1887
(Foto: Juni 2004, VSO)
 
3. Ungefähr ab dem Wechsels vom 19. zum 20. Jahrhundert werden die Bauwerke deutlich sachlicher und einfacher, aber noch mit konventionellen Baumaterialien ausgeführt, also Naturstein, Ziegel, Stampfbeton. Diese Epoche endet mit der Verbreitung des Stahlbetons und der Entwicklung leistungsfähiger Baumaschinen in den 1950er und 1960er Jahren. Ostportal des Sternwald-Tunnels (Foto: VSO)
Sternwald-Tunnel, Ostportal, 1934
(Foto: Juni 2004, VSO)
 
4. Zwischen 1960 und 1970 erfolgt der endgültige Wechsel ins "Betonzeitalter" - einige Stichworte für Neuerungen, die sich auch auf die Gestaltung von Tunnelportalen ausgewirkt haben: Stahlbeton, Fertigteile, Erdanker, Bohrpfähle, Spritzbeton, Landschaftsschutz, Lärmschutz, Hochgeschwindigkeitszüge... Südportal des Hopfenberg-Tunnels (Foto: Heiko Dassow)
Hopfenberg-Tunnel, Südportal, 1991
(Foto: Mai 2006, Heiko Dassow)


C) Baustil

Unabhängig vom Zeitgeschmack lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze der Gestaltung von Tunnelportalen unterscheiden:
a) Den "monumental-repräsentativen", das Bauwerk betonenden Baustil
b) Ein unauffällig-funktionales, möglichst kleines und, kostengünstiges Portals, welches sich der Umgebung unterordnet.
Irgendwo zwischen diesen beiden Polen bewegen sich alle Portale, es gab und gibt zu jeder Zeit Beispiele für beide Extreme. Die Entscheidung für diesen oder jenen Ansatz muss nicht unbedingt in Sparzwang oder Repräsentationsbedürfnis begründet sein, oft sind es auch die örtlichen Gegebenheiten, die zu großem Bauaufwand zwingen oder eine einfache Standardlösung zulassen.

unauffällig-funktional alt   monumental-repräsentativ alt
Südportal des Kapf-Tunnels (Foto: VSO)   Nordportal des Weilburger Tunnels (Foto: VSO)
Kapf-Tunnel, Südportal, 1901
(Foto: September 2006, VSO)
  Weilburger Tunnel, Nordportal, 1862
(Foto: September 2006, VSO)
 
unauffällig-funktional neu   monumental-repräsentativ neu *)
Nordportal des Eggeberg-Tunnels (Foto: Joachim Pientok)   Westportal des Schönrain-Tunnels (Foto: Heiko Dassow)
Eggeberg-Tunnel, Nordportal, 1991
(Foto: Juni 2006, Joachim Pientok)
  Schönrain-Tunnel, Westportal, 1994
(Foto: Januar 2006, Heiko Dassow)

*) Anmerkung: Bessere Beispiele für aufwendig gestaltete Betonportale finden sich im Ausland, als Beispiel zu nennen wären der Tunnel "La Cotière" in Frankreich. Im gezeigten Fall des Schönraintunnels ließ die stark begrenzte Baulänge zwischen Brückenwiderlager und Steilhang unter Vorgabe einer Zufahrtsstraße zum Tunnelportal keine andere Wahl als den Bau solch massiver Stützmauern, die dann natürlich optisch einigermaßen landschaftsverträglich eingebunden.werden mussten.

Wer bestimmt nun die Gestaltung eines Tunnelportals?
Im wesentlichen die Bahnverwaltung als Bauherr, dies hat sich nicht gewandelt und ist noch heute so. So ist es kein Wunder, dass die Tunnelportale einer Strecke meistens recht ähnlich aussehen und bestimmte Baustile und -materialien in einigen Regionen verbreitet sind, in anderen hingegen nicht zu finden. Tunnelquerschnitt, Baumaterial, Kostenrahmen - all das sind Vorgaben des Bauherrn und seiner Ingenieure.
Aber die Vielfalt der Tunnelportale, auch bei modernen Betonbauten, beweist, dass selbst innerhalb dieses durch Sachzwänge begrenzten Rahmens ausreichend Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten bleibt.

Gute Beispiele für "Einheitsportale" oder "Rahmenplanungen", also entweder die mehrfache Ausführung des exakt gleichen Bauwerks oder die Abwandlung eines Grundtyps in unterschiedlichen Variationen, bieten:



D) Zierelemente

Den Abschluss sollen einige Bildbeispiele der verschiedenen Zierelemente bilden. Das sind all jene Bauteile, welche rein funktional eigentlich überflüssig wären und "nur" der Befriedigung der jeweiligen Geschmacksvorstellungen der Erbauer dienen.
Angesichts der prächtigen, burgartigen Tunnelportale des 19. Jahrhunderts, die heute nicht nur das Landschaftsbild bereichern, sondern viele Menschen überhaupt erst auf Tunnel als Bauwerke aufmerksam werden lassen (und somit einen guten Teil zur "Faszination Tunnel" beitragen), möchte man fast die Zeiten rühmen, in denen der "Luxus" solch aufwendiger Gestaltung noch möglich war, in denen Geld und Arbeitszeit noch nicht die alles entscheidenden Kriterien waren.
Zu fragen wäre dabei allerdings auch, ob der Maurergeselle von 1864 ein ebenso prächtiges Leben hatte, und wie es dem Betonbauer der Jahrtausendwende nach Feierabend erging. Wertende Vergleiche zwischen "früher" und "heute" sind ohnehin selten objektiv.
Dies nur als Hinweis am Rande; denn die schlichten Tunnelportale unserer Zeit sind weder schlechter noch besser als die Prachtbauten der Vergangenheit, nur anders eben, die Gründe dafür wurden zum Teil ja schon erwähnt.


Zunächst ein Portal im klassischen "Burgen-Stil":
Eine Brüstungsmauer mit Zinnen, Schießscharten, zwei ebenfalls zinnengekrönte Ecktürme, Wappen - der Friedrich-Wilhelm-Tunnel gibt sich wehrhaft wie eine Ritterburg. Für viele Tunnel typisch sind auch die nach oben hin leicht schräg zulaufenden Seitenkanten, wodurch das Portal noch "wuchtiger" wirkt.
(Südportal, 1871)
Südportal des Friedrich-Wilhelm-Tunnels (Foto: VSO)
(Foto: Juni 2006, VSO)
 
Südportal des Distelrasen-Tunnels (Foto: Joachim Pientok)
Das Portal des alten Schlüchterner Tunnels, auch Distelrasen-Tunnel genannt, ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Tunneleingang ganz ohne Zinnen und Türme, dafür aber mit Gesimsen, Mauervorsprüngen und unterschiedlich strukturierten Steinen genauso "majestätisch" gestaltet werden kann.
(Südportal, 1914)
(Foto: Oktober 2000, Joachim Pientok)
 

An den Portalen des Kaiser-Wilhelm-Tunnels lässt sich gut erkennen, wie sich Figuren, Wappen und Inschriften zur Portalgestaltung einsetzen lassen: Das Portal scheint hier nur der Sockel für den darauf thronenden (Reichs-)Adler zu sein. Ebenfalls schön zu sehen ist die Kombination aus rotem und hellgelbem Sandstein. Zusammen mit den unterschiedlichen Formen und Größen der Steine ergibt sich eine gut gegliederte Fassade.
(Südportal, 1879)
Südportal des Kaiser-Wilhelm-Tunnels (Foto: Bernhard Groß)
(Foto: B. Groß)
 
Nordportal des Bett-Tunnels (Foto: VSO)
Die allermeisten Tunnelportale sind achsensymetrisch aufgebaut - dies ist für den Betrachter schon so selbstverständlich, dass es erst bei Ausnahmen auffällt. So auch hier am Bett-Tunnel, der wie viele der Tunneleingänge im Mittleren Rheintal nur auf der Flussseite einen Turm aufweist.
(Nordportal, 1859)
(Foto: Mai 2006, Foto: VSO)
 

Das Portal des Beyenburger Tunnels, fast ohne jeglichen Verzierung: nur ein Gesims und die Andeutung zweier Ecktürme durch einen kleinen Versatz am oberen Mauerabschluss sind vorhanden. Die Wirkung auf die Optik ist dennoch enorm positiv, man sieht, was auch mit einfachen Mitteln erreicht werden kann.
(Ostportal, 1890)
Ostportal des Beyenburger Tunnels (Foto: Gert Hetmank)
(Foto: September 2000, Gert Hetmank)
 
Südwestportal des Schwarzkopf-Tunnels (Foto: Christian Lindner)
Hin und wieder wird der obere Abschluß der Portalmauer auch mit einem Giebel "gekrönt", hier am Schwarzkopf-Tunnel. Leider nur noch schwer erkennbar: die Angabe des Baujahres mit römischen Zahlen, zu deren Hervorhebung der Giebel wohl gedacht ist.
(Westportal, 1854)
(Foto: August 2005, Christian Lindner)
 

Insbesondere bei den ersten Eisenbahntunneln bestand die Portalöffnung oft aus mehreren, versetzen Gewölbebögen, was die "Einfahrt in den Berg" noch stärker betont. Das Südportal des Klotz-Tunnels zeigt sich noch fast im Ursprungszustand.
(Südportal, 1848)
Südportal des Klotz-Tunnels (Foto: VSO)
(Foto: Juni 2004, VSO)
 
Westportal des Krähberg-Tunnels (Foto: VSO)
Ein wichtiges Detail, gerade an längeren Tunneln oft zu finden, ist die Angabe des Baujahres, meistens als steinerne Inschrift. Der Krähberg-Tunnel wurde also im Jahre 1881 erbaut bzw. durchschlagen.
Bemerkenswert sind auch die ausgeglichenen Proportionen von Tunnelöffnung, Portalmauer und oberem Gesims sowie die zurückgesetzt anschließenden seitlichen Stützmauern, welche das eigentlich Portal optisch hervortreten lassen.
(Westportal, 1882)
(Foto: Juni 1990, VSO)
 

Auch die oft verschmähten modernen "ICE-Tunnel" besitzen ein Zierelement, welches durchaus Gestaltungsspielraum bietet: den "Portalkragen".
Hier die flache Version aus eingefärbten Fertigteilen mit Waschbeton-Oberfläche, vor allem auf dem Südabschnitt der NBS Hannover-Würzburg zu finden. Je nach Umgebung wechselt die Einfärbung zwischen rötlich und dunkelgrau, erreicht wird dies durch unterschiedliche Zuschlagsstoffe im Beton.
(Bornhecke-Tunnel, Südportal, 1988)
Südportal des Bornhecke-Tunnels (Foto: R. Bachmann)
(Foto: R. Bachmann)
 
Südportal des Wadenberg-Tunnels (Foto: Joachim Pientok)
Die neueste Version ist ein senkrecht hochgezogener Kragen mit Sichtbeton-Oberfläche.
(Wadenberg-Tunnel, Südportal, 1991)
(Foto: Juni 2006, Joachim Pientok)
 

Gestaltung durch Unauffälligkeit - dieses Bild  zeigt sehr schön den optischen Vorteil der geneigten Portale: Sie verschwinden nach einigen Jahren unter kräftigem Bewuchs, der Tunneleingang ist dann nur noch ein schwarzes Loch im grünen Hang.
(Krieberg-Tunnel, Südportal, 1991)
Nordportal des Krieberg-Tunnels (Foto: R. Bachmann)
(Foto: R. Bachmann)
 

Abschließende Bemerkungen
Literatur über die Gestaltung von Eisenbahntunnelportalen findet sich fast nur im Rahmen des zeitgenössischen und bauwerksbezogenen Bedarfs. Darüber hinausgehende Darstellungen insbesondere aus architektonischer und künstlerischer Sicht fehlen weitgehend. Eine der wenigen bekannten Quellen ist ein kurzer Aufsatz von Peter Plaßmeyer, "Das Loch wird Architektur - Anmerkungen zu den Portalen der Eisenbahntunnel des 19. Jahrhunderts", enthalten in "Tunnel - Orte des Durchbruchs", erschienen 1992 im Jonas-Verlag, Marburg, ISBN 3-89445-134-3.
So ist dieser Text weitgehend aus eigenen Beobachtungen und Überlegungen entstanden. Aber vielleicht ist bei jemandem das Interesse geweckt worden für eine wissenschaftlich-exakte Erforschung des Themas: "Gestaltung von Tunnelportalen?" Es gibt zehn-, wahrscheinlich sogar hunderttausende von Verkehrstunneln auf der Welt, und jeder von ihnen hat mindestens zwei Portale. Wenig beachtete Alltagsbauwerke, die aber eigentlich alles andere als langweilig sind.

Autor dieser Seite: Sönke Roggenkamp

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